Ist dein Leben lebenswert?
Wieviel «Selbstoptimierung» ist zu viel? Wieviel Genuss braucht es? Den scheusslichen Grünsaft trinken oder lieber einen Chai Latte geniessen? Noch ein bisschen netflixen oder lieber früher schlafen? Fitnessdaten tracken oder aufs Gefühl achten? Viele dieser Fragen münden in die Frage: Ist mein Leben lebenswert? Hier kommt meine Antwort auf diese Frage. Und eine Checkliste, mit der du prüfen kannst, wie trainiert dein Geist ist, um möglichst lange ein gutes Leben zu führen.
#Langlebigkeit #MentaleStaerke #DisziplinoderGenuss
Selbstoptimierung oder Genuss? Oder: Longevity, Bryan Johnson und «Don't Die»
Der Auslöser, diesen Blog zu schreiben, ist die Netflix-Doku «Don't Die: Der Mann, der unsterblich sein will» über Bryan Johnson. Bryan Johnson ist ein US-amerikanischer Technologieunternehmer und Biohacker, der durch seine Bemühungen, den Alterungsprozess zu verlangsamen und die menschliche Langlebigkeit zu fördern, bekannt geworden ist. Sein Projekt «Blueprint» zielt darauf ab, seinen biologischen Alterungsprozess umzukehren.
Um sich das vorzustellen: Johnsons tägliche Routine umfasst eine strenge pflanzliche Ernährung, intensive Trainingsprogramme und die Einnahme zahlreicher Nahrungsergänzungsmittel. Er unterzieht sich regelmässig medizinischen Tests, um die Auswirkungen seiner Massnahmen zu überwachen. Seine Bemühungen haben dazu geführt, dass er sein biologisches Alter um über fünf Jahre reduziert hat.
Bryan Johnson übt den Spagat während dem Essen
Nebst dem, dass ich einiges davon tue, was er tut (nicht der Spagat während dem Essen), hat mich eine seiner Aussagen zum Nachdenken angeregt: «Remove your mind». Er verfolgt einen datengetriebenen Ansatz zur Gesundheitsoptimierung. Dabei misst er kontinuierlich verschiedene Biomarker, um präzise Entscheidungen über Ernährung und Lebensstil zu treffen. Durch diesen objektiven Ansatz minimiert er subjektive Entscheidungen und verlässt sich stattdessen auf wissenschaftliche Daten und KI, um seine Gesundheit zu steuern.
Diese Doku widerspiegelt zahlreiche Diskussionen, die ich mit anderen Menschen führe. Darin geht es immer wieder um die gleiche Frage: Was macht ein Leben lebenswert? Wie viel Genuss braucht ein Leben, um lebenswert zu sein? Wieso ist Genuss in unserer Gesellschaft die alles bestimmende Maxime?
Woher kommt eigentlich die Forderung, dass unser Essen immer schmecken muss?
Immer wieder gelange ich in diese Diskussion, wenn Menschen mich fragen, wieviel ich schlafe, wieso ich pürierten Salat trinke, viel Geld ich für Mikronährstoffe ausgebe oder freiwillig halbjährliche Blutanalysen mache. Ich realisiere, dass einige sofort die Wertung haben, dass ich alles meiner Disziplin unterordne, mein Leben einfältig, anstrengend oder nicht zu geniessen sei. Schliesslich schmeckt der Grünsaft ja nicht.
Mein Grünsaft besteht aus Spinat, Salaten, Gerstengraspulver, anderen Super Greens und ein wenig Banane
Das stimmt. Aber schlimm ist er auch nicht. Ihn zu trinken, dauert ungefähr 30 Sekunden. Die schönen Gefühle, die sich daraus ergeben, dauern länger: Wenn ich regelmässig Grünsaft trinke, ist meine Wundheilung schneller, mein Hautbild ebenmässiger, mein körperliches Wohlbefinden höher. Nebst diesen Gefühlen äussert sich der regelmässige Grünsaftkonsum in besseren Herzwerten – also messbaren Daten. In einer solchen Diskussion ist mein Grünsaftkonsum auch für andere nachvollziehbar, trinken wollen sie ihn aber trotzdem nicht – was völlig fein ist, solange man mich in Ruhe lässt, wenn ich meinen trinke.
Viele sind überzeugt: Essen muss immer schmecken. Ich finde es auch besser, wenn es schmeckt. Doch am Besten finde ich, wenn es mich ernährt und schmeckt. Wir leben in einer überessenen und unterernährten Gesellschaft, die den Bezug zu Gesundheit verloren hat. Übergewicht ist so normal und akzeptiert, dass Menschen, die sich vegan oder nach welcher Überzeugung auch immer ernähren, oder wie Bryan Johnson leben, die Minderheit darstellen und dafür auch noch kritisiert werden.
Ich frage mich: Wann ist Gesundheit so verpönt geworden? Und wieso ernten Menschen Kritik, die anders leben oder Neues ausprobieren? Schliesslich hat uns die Genussmaxime nicht sehr weit gebracht. Weil immer alles schmecken und verfügbar sein muss, verzeichnen wir global trotz erheblicher medizinischer Fortschritte und eines beispiellosen materiellen Wohlstands einen alarmierenden Anstieg von Gesundheitsproblemen wie Übergewicht, Adipositas und chronischen Erkrankungen.
Beispielsweise waren im Jahr 2016 laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 1,9 Milliarden Menschen übergewichtig, davon 650 Millionen adipös. Eine aktuelle Studie prognostiziert, dass bis zum Jahr 2050 über die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung übergewichtig oder adipös sein wird. Ich finde diese Prognose schockierend. Der Genuss allein bringt uns also nicht weit. Sollte man daher wie Bryan Johnson leben? Jeder soll das tun, was er oder sie für richtig hält – und sich mit Urteilen über andere zurückhalten.
Wer viel schläft, verpasst sein Leben (und ist asozial)!
Wer mich kennt, weiss, dass mir mein Schlaf sehr wichtig ist. Ich habe mit Whoop 1.5 Jahre gebraucht, um einen 100% Schnitt über 6 Monate zu erreichen (obwohl ich mit meiner kleinen Tochter im Bett schlafe, es gibt also meines Erachtens also für niemanden Entschuldigungen, das nicht tun zu können, wenn er/sie es will, ausser für stillende Mütter). Seit ich das tue, bin ich gesünder, ausgeglichener und glücklicher.
Meine aktuelle Whoop Schlafstatistik
In den letzten 6 Monaten habe ich täglich 9.15 Stunden im Bett verbracht. Das ist viel Zeit von 24 Stunden. Vor allem, wenn man zwei Firmen hat, von denen sich eine noch im Aufbau befindet und auch sonst viele Ambitionen hat. Ich gehe gegen 20:00 Uhr ins Bett und schlafe fast jeden Tag aus, das heisst, ich erwache vor dem Wecker und bin dann immer noch viel früher wach als die meisten. Obwohl sich alle mir wichtigen Menschen in meinem Umfeld daran gewöhnt haben, ernte ich auch immer wieder fragende Blicke. Ich verschliefe ja mein Leben!
So frage ich mich wiederum: Was kann ich nicht machen, weil ich so früh ins Bett gehe? Ich kann nicht Netflix bingen, was ich noch nie getan habe und auch nicht will. Ich kann nicht bis spät in den Ausgang, was ich nicht mehr will, weil ich davon früher bereits meinen «fair share» hatte. Ich lebe ein ruhiges, fokussiertes Leben, das sich nicht nach Verzicht anfühlt, sondern für mich zur schönsten Lebensphase gehört, die ich bisher hatte. Weil ich gesund und bei mir bin (siehe «Schlaf, deine Superpower»).
Bin ich deswegen asozial, weil ich oft lieber schlafe, anstatt Menschen zu treffen? Bin ich asozial, weil ich WhatsApp abgestellt habe und lieber Tagebuch schreibe? Bin ich asozial, weil ich keinen Alkohol trinke, den ich niemals mochte? Ich glaube, ein sehr reges Sozialleben zu haben. Ich empfinde, dass «asozial» mittlerweile für alles benutzt wird, was nicht alle machen. Und genau das finde ich schwierig bei den Reaktionen auf Bryan Johnsons Lebensstil. Wir sind so gut darin geworden, schnell zu urteilen und zu verurteilen. Besonders wenn etwas oder jemand den Status Quo in Frage stellt.
Verpasst also Bryan Johnson sein Leben, weil er so viel Zeit mit Training und medizinischen Tests verbringt und täglich Dutzende Supplemente statt Burger konsumiert oder was auch immer die ihn umgebende Gesellschaft mit Genuss verbindet? Nur er selbst kann diese Frage für sich beantworten. Zudem hat er sicherlich einen Vorteil: Er scheint einem Lebenszweck zu folgen, den ihn erfüllt.
Genuss ist also subjektiv. Ich geniesse mein Leben sehr viel mehr, seit ich meine sozialen Netzwerke verkleinert habe, um mehr nahe Bindungen zu geniessen, seit ich mehr schlafe und mich gesunder ernähre. Die Dinge, die wegfallen, vermisse ich nicht. Ich verstehe jedoch auch, wenn Menschen Netflix geniessen, fein essen und lange Parties feiern wollen. Solange sie es aus einer bewussten Entscheidung machen.
Bewusstsein ist alles! Weil: «Ein untrainiertes Hirn verhält sich wie ein betrunkener Affe»
Diese buddhistische Metapher des «Monkey Mind» finde ich sehr zutreffend. Denn ein untrainierter Verstand ist weder konzentriert noch fokussiert sondern sprunghaft. Als Psychologin fasziniert mich nichts mehr, als meine Psyche besser kennenzulernen, zu verstehen und zu optimieren. In meinen Trainings zu mentaler Stärke geht es unter anderem darum, Gedanken und Körperempfindungen präzise wahrzunehmen und bewusst auf Reize zu reagieren.
Ich beim Gedanken- und Aufmerksamkeitstraining
Was mich fasziniert, beängstigt andere: «Werde ich dann zu einem Roboter, wenn ich mich mental trainiere?» fragen Kritische. «Nein, du wirst du», entgegne ich. Wie?
Wenn wir lernen,
….welche Muster früh in uns konditioniert wurden und welche neuronalen Blaupausen wir deswegen in unseren Köpfen mittragen, die alles bestimmen, was wir tun, können wir bewusst neue Wege gehen und unser Leben freier bestimmen;
…dass zirka 40% unserer täglichen 6000 Gedanken repetitiv sind (also jeden Tag die gleichen!!!) und unsere Wahrnehmung und Kognition zu trainieren, stattdessen anderes zu denken und anders zu handeln, dann können wir neue, positivere Gewohnheiten entwickeln;
…welchen Triggern wir immer wieder begegnen (also überproportional grosse oder emotionale Reaktionen auf Reize) und wie wir anders fühlen, wenn wir den vorausgehenden Gedanken ändern, denn erlangen wir viel mehr Handlungsfreiheit.
Wenn wir all das und vieles mehr lernen, dann lösen wir Muster auf, die nicht unsere sind, sondern das Umfeld widerspiegeln, in dem wir aufgewachsen sind. Dann werden und denken und fühlen und handeln wir, wie wir wahrhaftig sind. Denn davor sind wir gefangen in den immergleichen Mustern, die wir unbewusst oder bewusst repetieren.
Welchen Lebensstil du auch immer wählst, ist natürlich dir überlassen. Hast du deinen Kopf aber nicht trainiert, dann ist es gut möglich, dass du diese Entscheidungen nicht frei wählst. Und in diesem Sinne dann auch nicht frei handelst.
Hat demnach Bryan Johnson recht, wenn er sagt «remove your mind», wenn es beispielsweise um Ernährung geht? Meines Erachtens ja. Weil gerade dann, wenn wir beispielsweise etwas Süsses essen wollen, aber eigentlich nicht essen sollten, dann sind so viele Neurotransmitter aktiv, die uns je nach Gewohnheit das Süsse schmackhaft machen. Dann verhältst du dich wie ein betrunkener Affe.
Wenn du jedoch einen gut trainierten Kopf hast, dann erkennst du diese Gedankenabfolgen und kannst dich alternativ verhalten und auf etwas im Moment verzichten, um später davon einen Benefit zu haben. Das ist auch mentale Stärke.
Werde ich mit einem trainierten Geist zu einer Art Roboter? Nein, du wirst du.
Je trainierter dein Kopf ist, desto freier wirst du, deine Entscheidungen bewusst zu treffen. In meiner Erfahrung wirst du dabei immer unabhängiger von äusseren Einflüssen.
Manche Menschen fürchten, durch mentale Stärke zu einer Art Roboter zu werden
Welche Charakteristika weisen Menschen auf, die mental trainiert sind und daher einen «klaren Versand» haben? Mit dieser Checkliste kannst du deine mentale Stärke messen:
Bereich 1: Wahrnehmung
Du nimmst deine Gedanken präzise wahr und bist in Techniken geübt, dies zu tun (wie beispielsweise durch Meditation oder autogenes Training);
Du kannst Gedanken analysieren und darin Muster erkennen, die wiederkehren;
Du verfügst über eine erhöhte Wahrnehmung, um körperliche Empfindungen wahrzunehmen und sie zu lokalisieren;
Du kannst deine Energie und Anspannung akkurat einschätzen und kennst deine Energiezu- und Abflüsse auf verschiedenen Ebenen (körperlich, mental, emotional, spirituell, u. a.);
Bereich 2: Selbst-Bewusstsein
Du kennst deine konditionierten Muster und hast sie intentional gebrochen, so dass du in Situationen «frei» reagierst und nicht in ihren Mustern gefangen bist («psychologische Wiederholungszwänge» sind damit gebrochen):
Du kennst deine Werte und ihre Trigger (und weisst, dass Gedanken zu Gefühlen führen und diese wiederum dein Verhalten bestimmen);
Du erkennst neben Triggern auch kompensatorische Verhaltensweisen, in denen du früher eingeknickt bist und etwas nicht getan hast, was du tun wolltest;
Bereich 3: Selbst-Management
Du kannst deine Stimmung beeinflussen und nimmst Abstand von wiederkehrend negativen Gedanken, die keinen Mehrwert schaffen;
Du kennst deinen inneren Saboteur und mit ihm verbundene Gedankenmuster, genau, wie du auch deine innere Superkraft kennst und sie in Situationen bewusst aktivieren kannst;
Bereich 4: Selbstvertrauen
Du hast ein «objektiviertes» Bild deiner Stärken und Schwächen, kannst sie benennen, akzeptieren und in Situationen bewusst einsetzen;
Du hast eine Lebensvision und Ziele, für die du kurzfristige Belohnungen auch zurückstellen kannst, um langfristig Erfolg zu haben;
Du hast übergeordnet eine gesteigerte Aufmerksamkeit, die zu mehr Fokus, besserer Priorisierung und geringerer Stressempfindung führt.
Antwortest du 8 - 12 mal mit einem Ja, bist du mental stark. Antwortest du mit 7 oder weniger mal Ja, hast du Potenzial, dich mental zu stärken und damit ein freieres Leben zu wählen. Denn:
Bewusstsein ist Freiheit. Darum: Clear your mind!
Je bewusster du dein Leben wählst, desto freier bist du. Und ob du dann ein «selbstoptimiertes» Leben wie das wählst, das Bryan Johnson zu leben scheint oder eines, das Spontanität und Genuss wertschätzt, spielt keine Rolle, solange du bewusst entscheidest. Daher kann Disziplin durchaus Freiheit bedeuten, auch wenn es vorerst als Paradox erscheint.
Ist also dein Leben lebenswert? Ja, wenn du es bewusst lebst. Nein, wenn du es nicht bewusst lebst. Genuss als solches ist niemals der richtige Massstab, um diese Frage zu beantworten, was leider in unserer Gesellschaft viel zu oft passiert. Weil unser Bewusstsein nicht sehr hoch ist.
Langlebigkeit durch einen trainierten Geist
Stärke auch du dich mental, um bewusst zu leben! Dann ist «remove your mind» nicht mehr notwendig. «Clear your mind!» ist die oberste Maxime und du wirst noch viel länger oder sicherlich besser leben!
Und: Dann wird Langlebigkeit auch erst komplett, nebst dem Fokus auf körperliches Altern. Wenn wir einen trainierten Geist haben, kann dieser sehr positiv zur Lebensverlängerung beitragen. Dazu gibt es einiges an Evidenz, dem meines Erachtens in den Diskussionen rund um Langlebigkeit zu wenig Beachtung geschenkt wird. Denn psychische Stärke kann deine Physis massgeblich positiv beeinflussen. Wie beispielsweise durch Meditation, Lebenssinn und mentale Stärke:
Telomerschutz durch Gedankentraining: Meditation kann die Telomere, die schützenden Endkappen der Chromosomen, erhalten. Längere Telomere sind mit einer verzögerten zellulären Alterung assoziiert.
Epigenetische Effekte durch Meditation: Meditation beeinflusst die Genexpression positiv, was als Verlangsamung der «epigenetischen Uhr» bezeichnet wird und mit einer besseren Gesundheit korreliert.
Längeres Leben durch Lebenssinn: Die siebenjährige Ohsaki-Studie mit über 43.000 Teilnehmern ergab, dass Personen mit einem empfundenen Lebenssinn eine signifikant niedrigere Sterblichkeitsrate aufwiesen.
Früher verstand ich nicht immer den Sinn des Lebens, doch heute gehöre auch ich zu den Menschen, die möglichst bewusst leben und auch lange leben möchten.
Um unter anderem möglichst viel Zeit mit meiner Tochter zu verbringen, die ich erst mit 40 bekommen habe. Und so versuche immer wieder etwas zu finden, wo ich besser werden kann – weil inneres Wachstum ein für mich zentraler Lebenswert ist.
Wonach strebst du? Was macht dein Leben für dich lebenswert?