Das Geheimnis des Mama-Hirns: Wie du deinen Kopf genauso trainieren kannst wie deinen Beckenboden

Vor mehr als fünf Jahren wurde ich Mutter. Immer wieder fragen mich Menschen, wie ich alles unter einen Hut kriege, ob ich seit meiner Schwangerschaft mehr vergesse und weniger konzentriert bin. Faktisch habe ich genau das Gegenteil erlebt: Meine Fähigkeit zu priorisieren hat sich massiv gesteigert, ich fokussiere stärker und bin effizienter geworden. Falls auch du werdende Mutter oder schon Mutter bist, bin ich überzeugt: Du bist oder wirst dadurch nur besser! Und selbst, wenn du als Mutter bereits negative Konsequenzen erlebt hast, kannst du dein Hirn mit gezielten Massnahmen trainieren. In diesem Blog zeige ich dir wie.

Liebe werdende Mutter und (frischgebackene) Mama

Herzlichen Glückwunsch zu dieser aufregenden und lebensverändernden Phase! Und an jede Mutter, die diese Wahnsinnsaufgabe schon länger meistert: Ich bewundere dich.

Wahrscheinlich hast auch du schon vom berüchtigten «Mama-Hirn» gehört, das angeblich dazu führt, dass Mütter vergesslicher und weniger konzentriert sind. Doch lass dich nicht verunsichern! Die Wissenschaft zeigt ein differenziertes Bild mit viel positiven Befunden und gibt Anlass zur Freude und Zuversicht, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

In meiner gestrigen Instagram-Umfrage wolle ich von euch wissen: Wer von euch empfindet, dass euer Hirn negativ von der Schwangerschaft oder Geburt beeinflusst ist? Diese Zahlen haben sich ergeben:

Also auch hier zeigt sich ein differenziertes Bild, wozu ich mir viele Fragen stelle, wie: Was passiert während der Schwangerschaft oder nach der Geburt mit dem Gehirn von uns Müttern? Oder sind mögliche negative Symptome, die sich aus Schlafmangel und hoher Beanspruchung ergeben, vergänglich und normalisieren sich später wieder? Was kannst du als Mutter tun, um gerade dann mental fit zu bleiben und deine vollen Kräfte wieder zu erlangen? In diesem Blog teile ich die Informationen und meine Gedanken, die ich auf der Suche nach Antworten entdeckt habe.

Die «positive» Wissenschaft hinter dem Mama-Hirn

1. Hormonelle Magie und Gehirnveränderungen

Während der Schwangerschaft und nach der Geburt durchläufst du eine wahre hormonelle Achterbahnfahrt. Diese hormonellen Veränderungen bewirken strukturelle Anpassungen in deinem Gehirn, insbesondere in Bereichen, die für Empathie, emotionale Regulation und soziales Verstehen zuständig sind. Diese Anpassungen sind keine Störungen, sondern optimieren dein Gehirn für die neue Rolle als Mutter. Und auch wenn ich selbst diese Hormonumstellungen über viele Wochen als schwierig empfand, zahlten sie sich später aus. Während einer Zeit (vor allem nach dem Abstillen) war ich ziemlich durcheinander. Doch seither, finde ich, war ich nie konzentrierter und fokussierter. Es fällt mir einfacher, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nein zu sagen und für mich einzustehen. Ob das mit diesen Gehirnveränderungen zu tun hat?

2. Verbesserte Konzentration und Effizienz

Viele Mütter berichten, dass sie nach der Geburt ihres Kindes viel effizienter und fokussierter sind. Diese Erfahrungen sind keine Einzelfälle. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Mutterschaft die Fähigkeit zur Priorisierung und zum Multitasking verbessern kann. Du lernst schnell, deine Zeit optimal zu nutzen und dich auf das Wesentliche zu konzentrieren, weil du gleichzeitig viele Aufgaben bewältigen musst. Für meine Begriffe besteht Muttersein aus viel Organisation und wird einfacher, wenn du schnelle, gute Entscheidungen treffen kannst. Für mich ist es beispielsweise erleichternd, strukturelle Entscheide zu treffen, wer unsere Tochter wann betreut oder abholt, anstatt dies wöchentlich und fortlaufend zu tun. Aber dies hat eher mit dem Versuch zu tun, meine kognitive Belastung zu reduzieren.

3. Langfristige Vorteile

Weiter habe ich gelesen: Die positiven Veränderungen hören nicht auf, wenn dein Kind aus den Windeln herausgewachsen ist. Studien deuten darauf hin, dass die kognitiven Verbesserungen, die du als Mutter erlebst, langfristig anhalten. Das bedeutet, dass du auch in Zukunft von einer gesteigerten Fähigkeit zur Problemlösung und zum Management von komplexen Aufgaben profitieren kannst. Das ist auch meine Erfahrung: Seit ich Mutter bin, haben sich meine Leistungsgrenzen fortlaufend nach oben verschoben: Sprich, ich kann immer mehr leisten und das meine ich im positivsten Sinn, nicht nur in Bezug auf Produktivität (siehe hierzu auch meinen Blog nach salonfähigen, versteckten Süchten), sondern auch in Bezug auf meine Geduld und meine Fähigkeit zu lieben. Denn das, so glaube ich, wird immer die wichtigste Aufgabe von uns Müttern und Eltern sein.

Die Realität: Viele von euch berichten von Schwierigkeiten

Anstatt Dich wegen des «Mama-Hirns» zu sorgen, lade ich dich ein, diese Veränderungen als natürlichen und positiven Teil deiner Mutterrolle zu feiern. Die Anpassungen in deinem Gehirn machen dich nicht nur zu einer liebevolleren und verständnisvolleren Mutter, sondern können auch deine beruflichen und persönlichen Fähigkeiten verbessern. Doch natürlich will ich dem Umstand Rechnung tragen, dass es viele Mamas gibt, die sich durch die Schwangerschaft oder Geburt negativ beeinträchtigt fühlen. Also habe ich einige von euch gefragt, wie sich das im Alltag auswirkt und habe Folgendes von euch gelernt:

  • Vergesslichkeit und Konzentrationsprobleme: Einige von euch berichten von einer gewissen Vergesslichkeit und Konzentrationsschwierigkeiten nach der Geburt, vor allem wegen dem Schlafmangel und der enormen Lebensumstellung. Chronischer Schlafmangel kann erhebliche Auswirkungen auf die kognitive Funktion haben, einschliesslich der Gedächtnisleistung, Entscheidungsfindung und Reaktionszeit. Eine Bekannte schrieb: «Es fiel mir nach dem Wiedereintritt in meinen Job schwer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich musste mir unzählige Notizen machen und alles aufschreiben, weil ich oft den Faden verloren habe.»

  • Erschöpfung und Entscheidungsschwierigkeiten: Einige von euch haben mir geschrieben, dass ihr euch so erschöpft fühlt, so dass es euch schwer fällt, klare Entscheidungen zu treffen und eure Reaktionszeit generell verlangsamt ist (zum Beispiel beim Autofahren). Die Erschöpfung kann ich nachvollziehen. Ich erinnere mich gut daran, dass ich zirka fünf Monate nach der Geburt über viele Wochen so erschöpft war, dass es mir wie eine unmöglich zu bewältigende Aufgabe erschien, unsere Kücheninsel aufzuräumen und zu putzen.

  • Ständig erhöhte Stresslevels: Einige von euch haben erzählt, dass euer Stresslevel chronisch hoch war oder noch ist. Eine dauerhafte Stressaktivierung kann zu einer Überlastung des Nervensystems führen und die Fähigkeit zur Entspannung und Erholung beeinträchtigen. Eine Freundin schrieb: «Ich habe mich oft überwältigt gefühlt, besonders wenn meine Tochter viel geweint hat. Die ständige Sorge um ihr Wohlergehen hat mich mental total ausgelaugt.» Chronischer Stress ist bekannt dafür, die kognitive Funktion zu beeinträchtigen und das Risiko für Angstzustände und Depressionen zu erhöhen, weil unsere Neurotransmitter (wie wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin) im Ungleichgewicht sind.

Durch eure Rückmeldungen realisiere ich, dass ich vielleicht fünfeinhalb Jahre nach der Geburt meiner Tochter bereits ein beschönigtes Bild meines «Mama-Hirns» habe. Denn seit meine Tochter in den Kindergarten geht, habe ich wieder mehr Zeit für mich, arbeite weniger abends, wenn sie schläft, kann häufiger Sport machen und generell mehr Selbstfürsorge betreiben. Das war nicht immer so. Denn ich war einige Monate nach der Geburt so erschöpft, dass ich alltägliche Aufgaben für Wochen kaum mehr bewältigen konnte.

Was können (und müssen) wir Mütter alle für uns tun? Trainiert nicht nur euren Beckenboden, sondern auch euren Kopf

Egal also, ob du fühlst, dass dein Mama-Hirn besser geworden ist oder gelitten hat: Wir alle können (und müssen) unser Hirn trainieren! Genauso, wie wir nach der Geburt unseren Beckenboden und andere Körperregionen wieder trainieren, können wir sehr viel mehr für unser Gehirn tun, als dass wir denken. Und auch wenn ich häufig eine sehr idealistische, optimistische, alles-ist-möglich-Haltung habe, lehren mich die vielen Coachings von Müttern, dass wirklich alles möglich ist und niemand dauerhaft mit einem negativ beeinflussten Mama-Hirn leben muss.

Dies bringt mich zur folgenden Erkenntnis: Das Problem liegt nicht am eigentlichen Training, das wir für unser Gehirn tun könnten. Das Problem liegt darin, dass wir es nicht wissen oder vergessen, unser Gehirn zu trainieren. Angebote für Kopftrainings sind nicht so häufig und salient wie Beckenbodentrainings. Genauso, wie physisches Muskeltraining nicht beim Hals aufhört und wir daher unbedingt Face Yoga machen sollen (weil wir ungefähr 43 Muskeln im Gesicht haben, die wir häufig komplett ignorieren), so müssen wir unsere mentalen Muskeln genauso wie unsere physischen trainieren.

Wie? Hier meine top drei Tipps für dich, die sich in den letzten fünf Jahren für mich bewährt haben, um meinen Kopf fit zu halten:

  • Reduziere deinen «mentalen Load»: Verkleinere die Anzahl Entscheidungen, die du jeden Tag treffen musst. Wie beispielsweise mit Menuplänen, die du sonntags für die ganze Woche erstellst und einen Wocheneinkauf machst, als täglich (unter Stress und wenn alle Hunger haben) entscheiden und einkaufen zu müssen. Dies gilt auch für fixe Betreuungstage und Abholzeiten, so dass du wöchentlich planen kannst. Alle zusätzlichen Aufgaben, die nicht wichtig sind, kannst du delegieren oder gar nicht machen. Das erfordert Mut zur Lücke und auch, gewisse Ansprüche zu reduzieren (wie beispielsweise an den gewünschten Ordnungsgrad zu Hause).

  • Wisse, wer du bist: Ich liebe meine Tochter über alles, so dass ich sie selbst nach fünfeinhalb Jahren an Arbeitstagen am Mittag zu vermissen beginne. Dennoch merke ich, dass ich nicht nur Mutter, sondern auch Frau bin, die Bedürfnisse hat und manchmal Zeit für sich braucht. Vergiss nicht, was dir Energie gibt und nimm dir Zeit dafür. Das gilt auch räumlich: Hast du einen Rückzugsort oder einen Platz, der nur dir gehört, in dem keiner eine Unordnung machen kann? Und wenn dein einziger Rückzugsort du selbst bist, dann ist Meditation (geführt oder frei) ein wunderbares Training für deinen Kopf, das dir selbst im grössten Chaos Ruhe und Freiheit gibt. Wenige Minuten Meditation pro Tag haben einen grossartigen Effekt auf dein Gehirn und führen zu langfristigen neuronalen Neuverdrahtungen, so dass du dadurch mögliche Negativeffekte durch die Schwangerschaft und Geburt wegtrainieren kannst (und dir selbst dabei noch Ruhe zurückgeben und Energie zuführen kannst).

  • Schlaf dich fit: Schlafen ist die absolute Superpower. Bei mir hat es sich durch meine Tochter eingebürgert, dass ich mit ihr sehr früh ins Bett gehe. Für mich ist der Schlaf auch heute noch der grösste Energielieferant (vor allem der Tief- und REM-Schlafphasenanteil davon). Mein Whoop Tracker hilft mir, konsistent zu bleiben und langfristige Ziele zu verfolgen. Darum: Schlaf gibt dir mehr als eine Netflixserie, auch wenn ich verstehe, dass Ablenkung gut tut.

Diese drei «Massnahmen» sind meine Top 3, um mental parat zu sein und zu bleiben. Was hilft dir, mental parat zu sein? Hinterlass mir einen Kommentar unten, ich freue mich, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und inspirieren!

Und wenn du mehr willst: Schau dir das kommende Training zu mentaler Stärke im August an! Dort wirst du von mir getaktet und trainierst dich mental fit. Zudem startet im September die nächste Runde Focus forward: Für alle Mamas ein Muss, die sich reorientieren, ihre Lebensvision gestalten und tatkräftig umsetzen wollen, um wieder in ihre vollen Kräfte zu kommen.

Und nochmals eine Bekräftigung an werdende Mamas: Vertraue auf dich selbst und die erstaunlichen Fähigkeiten deines Gehirns. Du bist besser vorbereitet, als du denkst, und wirst sowohl deine Mutterrolle als auch andere Lebensbereiche erfolgreich meistern! Und noch viel besser: Weitere wunderschöne Seiten an dir entdecken und über dich hinauswachsen


Quellen

  1. Kim, P., & Strathearn, L. (2016). "Motherhood and the brain: Changes in neural circuits and hormone levels." Journal of Neuroendocrinology.

  2. Hoekzema, E., et al. (2017). "Pregnancy leads to long-lasting changes in human brain structure." Nature Neuroscience.

  3. Barba-Müller, E., et al. (2019). "Brain plasticity in pregnancy and the postpartum period: Links to maternal caregiving and mental health." Archives of Women's Mental Health.

  4. Glynn, L. M., et al. (2016). "Pregnancy affects maternal brain structure and function." Behavioral Neuroscience.

  5. Kinsley, C. H., & Lambert, K. G. (2006). "The maternal brain." Scientific American.

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